Leitlinien zur Außen- und Friedenspolitik

Wir wollen eine Außenpolitik gestalten, die auf weltweite Friedenswahrung und Deeskalation von internationalen Konflikten ausgerichtet ist. Hierfür wollen wir unter anderem das System der Vereinten Nationen umgestalten, Rüstungsexporte beschränken, internationale Armut bekämpfen und globale kollektive Sicherheit stärken.

Diese Initiative wurde angenommen.

Initiator*innen
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DariusW
Felix Pahl
Veröffentlicht am
1. Juli 2017
Bereich
Zukunft aktiv gestalten
Einordnung
Einzelinitiative
Ebene
Bund
Ergebnis der Abstimmung

Diese Initiative wurde angenommen.

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107 Personen haben an dieser Abstimmung teilgenommen.

Das waren 28 Prozent aller 384 Abstimmungsberechtigten.

Text der Initiative

Beim außenpolitischen Handeln sind die verschiedenen Perspektiven aller Beteiligten zu berücksichtigen. Ziel der Außenpolitik sollte es sein, nationalstaatliche Interessen und die damit verbundenen Konfliktpotentiale zu überwinden und die Perspektive anderer Akteure bereits im Vorfeld mitzudenken. Außenpolitische Entscheidungen müssen daher im Einzelnen sorgfältig geprüft und beurteilt werden.

Unser Fokus liegt auf weltweiter Friedenswahrung und Deeskalationsbemühungen in internationalen Konflikten, der Verhinderung von Gewaltausübung und dem Abbau von Konfliktursachen. Wir orientieren uns dabei an den im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und dem Völkerrecht verankerten Grundwerten.

Die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts mit seinen weltweiten Konflikten machen ein Umdenken bei der Erhaltung und Förderung von Frieden, Sicherheit und zivilisatorischem Fortschritt zwingend erforderlich. Wir wollen die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union ausbauen, um zusammen effektive Lösungen für komplexe Herausforderungen zu gestalten.

Problembeschreibung

Alle 6 Sekunden stirbt ein Kind an vermeidbaren, armutsbedingten Ursachen. Noch immer sind viele Teile der Erde von Konflikten geprägt, die jedes Jahr Hunderttausende Opfer fordern.

Rüstungsexporte aus Deutschland und der EU sorgen in vielen Teilen der Welt für eine Verschärfung von Konflikten und verfestigen Unterdrückung. Der Versuch, sie durch unverbindliche politische Grundsätze zu begrenzen, die die Bundesregierung aufgestellt hat, hat sich als untauglich erwiesen; regelmäßig werden entgegen diesen Grundsätzen Waffenexporte an Diktaturen und in Konfliktgebiete genehmigt. Rüstungsexporte an Diktaturen werden von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt und sind nur dadurch möglich, dass in Hinterzimmern darüber entschieden wird.

Die NATO verfolgt derzeit ein Sicherheitskonzept, das auf militärischer Abschreckung und Verteidigung beruht. Dabei wird äußere Sicherheit vorwiegend gegen Andere organisiert, nicht mit ihnen. Dieser Ansatz birgt immer die Gefahr, dass Andere die zur Verteidigung vorgesehenen Rüstungsanstrengungen als bedrohliche Aufrüstung erleben und ihrerseits aufrüsten, um sich verteidigen zu können.

Die Militärbasen und der Luftraum in Deutschland werden für völkerrechtswidrige Angriffe genutzt. Viel zu oft werden verschiedene Maßstäbe an Staaten angelegt, je nachdem, ob sie als Verbündete betrachtet werden oder beispielsweise als wichtiger Handelspartner gelten.

Bei den Vereinten Nationen entscheiden wenige Staaten im Sicherheitsrat über völkerrechtlich bindende Resolutionen, während die Vollversammlung über Budgets abstimmt und ansonsten keine verbindlichen Entscheidungen trifft. Zudem haben wenige Staaten über das Vetorecht die Möglichkeit, den Weg der Mehrheit zu mehr Frieden, Gerechtigkeit und Sicherheit in der Welt zugunsten ihrer Eigeninteressen zu blockieren.

Forderung

1. Vereinte Nationen und globaler Schutz der Menschenrechte

Wir stehen entschieden für die globale Wahrung und Durchsetzung der Menschenrechte und die weltweite Förderung von friedenssichernden und demokratischen Grundwerten ein. Dazu zählen unter anderem die Meinungs- und Pressefreiheit, Wahlfreiheit, Religionsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, Chancengleichheit und Gerechtigkeit. Gefördert werden soll auch der weltweite Abbau von Diskriminierungen gegenüber Minderheiten. Darunter fallen insbesondere Diskriminierungen aufgrund von Merkmalen wie: Nationalität, Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Behinderung oder sozialer Standpunkt.

In den UN sehen wir die beste Chance, die Menschenrechte sowie friedenssichernde und demokratische Grundwerte langfristig weltweit zu verwirklichen. Deshalb befürworten wir eine Stärkung und Kompetenzerweiterung der Vereinten Nationen als wichtigste internationale Institution für friedliche Verständigung und Deeskalation.

Eine Weiterentwicklung der UN ist unabdingbar. Die demokratischen Elemente der UN sollen fortlaufend weiter ausgebaut werden. Die UN soll darüber hinaus zu einer stärker auf Eigeninitiative hin handelnden globalen Institution werden, die über nationalen Interessen steht und unabhängige Entscheidungen trifft. Dafür streben wir eine Abschaffung des Sicherheitsrats und die Übertragung seiner Kompetenzen auf die Vollversammlung der UN an. Entscheidungen der Vollversammlung sollen ähnlich wie im Rat der Europäischen Union mit doppelter Mehrheit gefunden werden. Die Resolutionen der Vollversammlung sollen völkerrechtlich bindend sein.

Die internationalen Beziehungen sollen zunehmend verrechtlicht werden, die Außenpolitik soll immer mehr zu einer Weltinnenpolitik werden. In dem Maße, in dem Kompetenzen auf die globale Ebene verlagert werden, muss dort auch das Prinzip der Gewaltenteilung zum Tragen kommen. Den Internationalen Gerichtshof und den Internationalen Strafgerichtshof wollen wir stärken.

2. Interventionsverhalten und Umgang mit Konflikten im internationalen System

Wir wollen nachhaltige Lösungsansätze für zwischenstaatliche und innerstaatliche Konflikte finden und tiefer gehende Konfliktursachen abbauen. Wir sind uns der Verantwortung zum globalen Schutz der Menschenrechte bewusst und möchten diese, mit dem langfristigen Ziel einer nachhaltig friedlichen Weltgemeinschaft, fördern. Deutschland und die EU sollen hierbei vorwiegend die Rolle eines Vermittlers zwischen Konfliktparteien einnehmen und zur Deeskalation von Konflikten mit friedlichen Mitteln beitragen.

Das politische und wirtschaftliche Gewicht Deutschlands und der EU soll genutzt werden, um durch Mediation, Vermittlung und Unterstützung zu verhindern, dass Konflikte gewaltsam ausgetragen werden. Damit hier angemessen und zielführend vorgegangen werden kann, sollen ausreichend Gelder für Friedens- und Konfliktforschung und Ausbildung im Bereich zivile Konfliktbearbeitung, Krisenprävention und -nachsorge zur Verfügung gestellt werden. Auch ist stets darauf zu achten, dass Deutschland und die EU durch eigenes Verhalten nicht zur Entstehung von Konflikten andernorts beitragen; dies gilt insbesondere bei Wirtschaftssubventionen.

Militärische Interventionen sind unbedingt zu vermeiden, sofern sie nicht als äußerstes Mittel unumgänglich sind, zum Beispiel zur Verhinderung von Genozid. Der Einsatz militärischer Mittel ist ausnahmslos nur im Rahmen des Völkerrechts und der UN erlaubt. Er darf nicht Partikularinteressen, insbesondere wirtschaftlichen Interessen, dienen. Er muss in eine politische Strategie zur Gewalteindämmung eingebettet sein, welche die Interessen aller Beteiligten in angemessener Weise berücksichtigt.

Bereits laufende Einsätze der Bundeswehr, die diesen Prinzipien nicht entsprechen, wollen wir beenden.

3. Stärkere Regulierung von Rüstungsexporten und Abbau von Massenvernichtungswaffen

Wir wollen Rüstungsexporte rechtlich verbindlich neu regeln und stark begrenzen. Insbesondere dürfen keine Rüstungsgüter mehr in Konfliktgebiete geliefert werden oder an Staaten und Gruppen, die für erhebliche Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind. Auch Lizenzen, Komponenten und Fabriken für Rüstungsgüter müssen entsprechenden Regelungen unterliegen. Soweit dann noch Rüstungsexporte stattfinden, muss der Endverbleib verbindlicher geregelt und überprüft werden - eine bloße Absichtserklärung, die Rüstungsgüter nicht weiterzugeben, reicht nicht aus.

Den Einfluss der Rüstungsindustrie auf Entscheidungen über die Beschaffung von Rüstungsgütern und die Genehmigung von Rüstungsexporten wollen wir zurückdrängen. Dazu müssen diese Entscheidungen deutlich transparenter und stärker der parlamentarischen Kontrolle unterworfen werden.

Wir fordern, dass der Bundessicherheitsrat, der über Rüstungsexporte entscheidet, auch über Dual-Use-Güter (Güter mit sowohl ziviler als auch militärischer Nutzung) entscheiden muss. Zudem soll eine einstimmige Entscheidung des Gremiums für eine Exportgenehmigung notwendig sein. Sämtliche Anfragen zur Exportgenehmigung und Entscheidungen durch den Bundessicherheitsrat sollen zeitnah öffentlich gemacht werden.

Der Erhalt von Arbeitsplätzen darf kein Argument für die Genehmigung von Rüstungsexporten oder die Beschaffung von Rüstungsgütern sein. Der Abbau von Arbeitsplätzen in der Rüstungsindustrie muss durch arbeitspolitische Maßnahmen in anderen Bereichen ausgeglichen werden; ohnehin sind die Mittel dort effizienter eingesetzt.

Wir setzen uns für eine Ausweitung der völkerrechtlichen Ächtung von Landminen aller Art ein und fordern ein Ende von Produktion und Export von Landminen sowie Bauteilen von Landminen.

Die Vision einer Welt, frei von Massenvernichtungswaffen, muss angesichts der potentiell verheerenden Wirkung ihres Einsatzes mit viel höherer Priorität verfolgt werden, als bisher. Deutschland hat dabei als einer der mächtigsten Nicht-Atomwaffen-Staaten eine wichtige Rolle. Wir wollen, dass die verbleibenden Atomwaffen aus Deutschland abgezogen werden. Deutschland soll sich innerhalb der NATO für atomare Abrüstungsinitiativen einsetzen und im Rahmen der Vereinten Nationen maßgeblich zu den Bestrebungen für ein globales Atomwaffenverbot beitragen.

4. Umgang mit der NATO

Wir wollen das Konzept kollektiver oder gemeinsamer Sicherheit stärken, das der OSZE zugrunde liegt. Kurzfristig soll dazu die OSZE gestärkt und ausgebaut werden; langfristig sollen die Vereinten Nationen dazu befähigt werden, ein globales System kollektiver Sicherheit aufrechtzuerhalten.

Die NATO muss dringend so transformiert werden, dass sie ihre konfliktverschärfenden Tendenzen überwindet und in einer kollektiven Sicherheitsarchitektur aufgehen kann. Dafür muss Deutschland sein politisches Gewicht in der NATO einbringen.

Völkerrecht und Menschenrechte müssen überall gleichermaßen angewandt und durchgesetzt werden. Diktaturen und autokratische Regime dürfen nicht stabilisiert werden, weil sie geostrategischen Interessen dienen; Angriffskriege und andere Völkerrechtsverletzungen dürfen nicht geduldet oder gar unterstützt werden, weil sie von Verbündeten begangen werden.

Der NATO-Vertrag verpflichtet sich ausdrücklich den Zielen der VN-Charta, und dementsprechend gelten Bündnisverpflichtungen nur in diesem Rahmen. Insbesondere dürfen Militärbasen und Überflugrechte in Deutschland nur im Einklang mit diesen Zielen eingesetzt werden.

5. Entwicklungspolitik – Armutsbekämpfung

Wir stellen die Bekämpfung von Armut und das Erreichen der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung in den Mittelpunkt der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Dafür wollen wir unserer Verpflichtung auf das UN-Ziel von 1972 nachkommen und 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Entwicklungszusammenarbeit vorsehen. Handelsverträge und Schutzzölle, die einer gerechten Weltwirtschaftsordnung entgegenwirken, müssen neu verhandelt werden. Umweltzerstörung, Menschenrechtsverletzungen, Plünderung von Ressourcen und Steuervermeidung durch transnationale Unternehmen müssen sanktioniert und wo möglich verhindert werden.

Entwicklungsländern soll durch gerechte Teilhabe an der Weltwirtschaft und Hilfe zur Selbsthilfe durch Wissens- und Technologietransfer und engagierte Entwicklungshelfer/innen die Möglichkeit gegeben werden, selbstbestimmt und organisch wirtschaftlich zu wachsen und das Wohl ihrer Bevölkerung zu mehren. Entwicklungspolitik beinhaltet für uns auch, diskriminierte Bevölkerungsgruppen, wie zum Beispiel Frauen, Kinder, Homosexuelle und Menschen mit Behinderung besonders zu stärken. Wir fordern, dass sämtliche finanzierte Projekte effizient gestaltet und von unabhängigen Stellen evaluiert werden.

Kosten

Langfristig ist zivile Krisenprävention nicht nur friedlicher, sondern auch wesentlich kostengünstiger als militärische Interventionen. Kurzfristig werden erhöhte Ausgaben für Friedens- und Konfliktforschung und Kapazitäten im Bereich zivile Konfliktbearbeitung, Krisenprävention und -nachsorge mehr als ausgeglichen durch Einsparungen bei der Rüstungsbeschaffung. Während eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung für Deutschland und die EU wirtschaftliche Nachteile bringen kann, verringert sie andererseits die Notwendigkeit von Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit.

Finanzierungsvorschlag

Wir rechnen insgesamt nicht mit Kostensteigerungen und erwarten vielmehr zumindest mittelfristig eine Einsparung von Steuermitteln.

Arbeitsweise

Die außenpolitischen Leitlinien wurden formuliert von Sara Redolfi (Auswärtiges Amt), Darius Walter (Student der Sozialwissenschaften), Felix Pahl (Dolmetscher, Sprecher der BAG Frieden & Internationales der Grünen) und Nick Nestler (Student der Politikwissenschaft) [und weiteren Unterstützter/innen]

Die Initiative wurde auf dem Marktplatz der Ideen unter Einbeziehung aller Interessierten entwickelt.

Argument der Initiator*innen

Die Inhalte der Initiative wurden bewusst als Leitlinien aufgestellt. Sie zeigen eine klare Richtung an und sind prinzipiell offen dafür, sie später um weitere Inhalte zu ergänzen und zu präzisieren. Sie bieten absichtlich (noch) keine spezifischen Lösungen für konkrete Konflikte, sind aber für uns jetzt und in Zukunft eine geeignete Orientierungshilfe dafür, wie wir uns in konkreten außenpolitischen und internationalen Angelegenheiten positionieren. Die Leitlinien zeigen, dass wir für eine zukunftsorientierte, nachhaltige, gerechte und friedliche Außenpolitik eintreten.

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PRO
Sehr differenziert ausgearbeitet!
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PRO
Sehr gut, aber die Hilfe zur Selbsthilfe in Armutsregionen sollte noch mit aufgenommen werden!
Es wurden keine Vorschläge eingebracht.