Urheberrecht im Dienst am Gemeinwohl

Das 21. Jahrhundert braucht andere Regeln des Umgangs mit immateriellen Gütern als das bisherige Urheber- und Patentrecht.

Diese Initiative wurde abgelehnt.

Initiator*innen
Hatto v. Hatzfeld
Roman J. Koschuth
Markus Graube
Veröffentlicht am
2. Juli 2017
Bereich
Bildung, Forschung & Kultur
Einordnung
Einzelinitiative
Ebene
Bund

Es wurde auch folgende Variante eingebracht

Angenommen

Respekt für geistige Leistung und künstlerische Arbeit

Künstlerinnen und Urheberinnen können nur von ihrem Beruf leben, wenn sie dafür bezahlt werden. Firmen wie Google kämpfen dafür, das europäische Urheberrecht auszuhebeln. Das ist das Ende der "mittleren" und "kleinen" Künstler*innen. Übrig bleiben nur noch noch die großen US-amerikanischen Firmen. Die europäische Kultur wird ausgeblutet.

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Ergebnis der Abstimmung

Diese Initiative wurde abgelehnt, weil eine Variante (s.o.) mehr Ja-Stimmen bekommen hat.

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81 Personen haben an dieser Abstimmung teilgenommen.

Das waren 21 Prozent aller 385 Abstimmungsberechtigten.

Urheber haben ein berechtigtes Interesse daran, für ihre kreative Leistung einen gerechten finanziellen Ausgleich zu erhalten. Die Gesellschaft hat im Sinne des Gemeinwohls ein Interesse daran, von solchen Schöpfungen zu profitieren und den nötigen Rahmen bereitzustellen, in dem diese gedeihen können. Das derzeitige Urheberrecht stellt hierbei keineswegs die optimale Lösung für den gerechten Ausgleich dieser Interessen dar - eine Umgestaltung ist gefragt!

Problembeschreibung

Das heutige Urheberrecht und seine Vorstellung vom „geistigen Eigentum“ wurden im Wesentlichen seit dem Ende des 18. Jahrhunderts entwickelt. In den 1990er Jahren wurden durch internationale Abkommen (TRIPS, WTC und WPPT) die Rechte von Urhebern und Verwertern deutlich gestärkt und die der Konsumenten eingeschränkt, nicht zuletzt auf Grund von intensiver Lobbyarbeit der Unterhaltungsindustrie.

Als Modell für das „geistige Eigentum“ (also das Eigentum an immateriellen Gütern) dient dabei der herkömmliche Eigentumsbegriff, der sich auf materielle Güter bezieht. Dabei wird übersehen, dass z. B. ein ganz konkretes Nahrungsmittel, etwa eine Kirsche, nicht gleichzeitig von zwei Personen konsumiert werden kann, während etwa eine Musikaufnahme, ein Computerprogramm, eine Bauanleitung und die Beschreibung einer DNA-Sequenz technisch problemlos vervielfältigbar sind. Während also Eigentum an Dingen, d.h. deren exklusives Nutzungsrecht, in der Natur von Dingen begründet liegt, ist das exklusive Nutzungsrecht an immateriellen Gütern eine bloße gesellschaftliche Festlegung. Die Praxis eines so verstandenen Urheber- und Patentrechts führt zu vielen Problemen und Ungerechtigkeiten: Kreativität wird eingeschränkt, weil kulturelle Leistung, insoweit sie auf Werken anderer aufbaut, erschwert oder verhindert wird; Patentschutz wird (direkt oder indirekt) für Lebewesen und Stoffe geltend gemacht, die der Natur entnommen sind; rechtlicher Schutz wird auch Werken mit sehr geringer Schöpfungshöhe bzw. eher trivialen angeblichen Erfindungen zuteil; es häufen sich Patente, die nicht mehr dem Ziel des Fortschritts bei Produktionsmethoden dienen, sondern vorwiegend zum rechtlichen Konkurrenzkampf eingesetzt werden und damit die Wirtschaft sogar behindern; Urheberrecht wird gelegentlich sogar zur Unterdrückung missliebiger Informationen missbraucht[1]; zweifelhafter Patentschutz wird gegen berechtigte Verbraucherinteressen in Stellung gebracht [2]; in der Software- und Lebensmittelproduktion manifestieren sich urheberrechtsbedingte Tendenzen zur Monopolisierung (Microsoft und Monsanto); viele Nutzer moderner Medien begehen Urheberrechtsverstöße (und ernähren damit eine Abmahnindustrie), weil ihre Erwartungen an das Funktionieren der Internetwirtschaft nicht der rechtlichen Realität entsprechen.

Auf der anderen Seite beklagen kleinere und mittlere Kreative, dass große Unternehmen wie Google (unter anderem mit YouTube) enorme Umsätze durch die Verwendung ihrer Werke generieren, ohne bereit zu sein, den Urhebern einen angemessenen Ausgleich zu zahlen.

Forderung

● Förderung der „Wissens-Allmende“ (siehe http://www.vgrass.de/?p=1526) durch entsprechende rechtliche Rahmen. Alle Studien und Datensammlungen, die in Behörden oder mit öffentlichen Geldern erstellt werden, müssen der Öffentlichkeit zur allgemeinen Nutzung zur Verfügung gestellt werden (Stichwörter „Open Access“ und „Open Data“). Ausnahmen von dieser Veröffentlichungspflicht, z. B. auf Grund von Daten- und sonstigem Persönlichkeitsschutz, sind klar zu bestimmen und eng zu begrenzen.

● Das Urheberrecht wird so umgestaltet, dass es das Ziel erfüllt, dem kreativen Urheber einen gerechten Ausgleich für seine Leistung zukommen zu lassen, jedoch ohne die Weiterverwendung seiner Schöpfung durch Dritte über ungebührlich lange Zeit zu verhindern. Hierfür ist die Verkürzung der Schutzfristen und die Abschaffung der Vererbbarkeit zu prüfen, ebenso so eine Anhebung der geforderten Schöpfungshöhe, aber auch eine Stärkung der Rechte von Künstlern, Schriftstellern und anderen Urhebern gegenüber den Verwertern (Verlagen, Unterhaltungsindustrie, Internetplattformen wie YouTube etc.) und die Einrichtung einer Kulturflatrate.

● Im Patentrecht sind die inhaltlichen Hürden zur Erteilung von Patenten zu erhöhen, um triviale „Erfindungen“ auszuschließen. Patentschutz darf direkt oder indirekt weder Pflanzen noch Tieren noch in der Natur vorkommenden Stoffen zukommen.

● Es wird sichergestellt, dass das Urheberrecht auch künftig den sogenannten offenen Lizenzen – bei Software, aber auch anderen Werken bzw. Produkten – genügend Raum bietet, ihre rechtliche Wirkung zu entfalten. Die öffentliche Verwaltung gibt Open-Source-Software Vorrang, wo dies möglich ist.

Kosten

Kosten für die öffentliche Hand fallen nicht an.

Finanzierungsvorschlag

Kosten für die öffentliche Hand fallen nicht an.

Arbeitsweise

Die Überlegungen basieren auf der schon seit längerem geführten Diskussion zu Wissen und Eigentum und zur Wissensallmende.

Für einen auf Commons (Allmende) basierten Ansatz plädiert Moritz Tremmel in seinem Artikel „Ist geistiges Eigentum noch zeitgemäß?“. Darin geht er auch auf die Frage des ökonomischen Anreizes für Kreativität ein (https://moritztremmel.de/files/2011/04/MoritzTremmel-IstgeistigesEigentumnochzeitgemaess-2010-CCBY-NC-SA.pdf). Sehr ausführlich zum Thema ist der (auch online einsehbare) Sammelband „Wissen und Eigentum“ (www.bpb.de/system/files/pdf/MJPQ2J.pdf).

Siehe kürzer zum Thema auch https://rotary.de/gesellschaft/wem-gehoert-das-wissen-a-962.html

Diese Initiative steht in gewissem Gegensatz zur Initiative „Respekt für geistige Leistung und künstlerische Arbeit“ (https://abstimmen.bewegung.jetzt/initiative/71-respekt-fur-geistige-leistung-und-kunstlerische-arbeit). Wir sind allerdings überzeugt, dass die darin ausgedrückten (berechtigten!) Interessen von Urhebern heutzutage nicht mehr ausschließlich mit den überkommenen Formen des Urheberrechts gewahrt werden können.

[1] Ein Beispiel dafür, dass Urheberrecht zur Unterdrückung missliebiger Informationen missbraucht wird: https://netzpolitik.org/2017/afghanistan-papiere-kuenstler-projekte-wehren-sich-gegen-zensurheberrecht/

[2] Ein Beispiel dafür, dass Patentrecht den Verbrauchern schadet: http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/verbot-von-wilkinsons-billigklingen-wenn-das-patentrecht-den-verbrauchern-schadet/20074012.html

Argument der Initiator*innen

Die Vorstellung, dass ein kreativer Mensch seine Werke sozusagen aus sich selbst bzw. aus dem Nichts schaffen würde, entspricht nicht der Realität. Kulturelle Leistungen bauen fast immer auf denen anderer auf; jeder steht, bildlich gesprochen, auf den Schultern derer, die die Kultur zuvor bereichert haben. Hätte unser heutiges Urheberrecht schon im 17. Jahrhundert gegolten, dann hätten viele große Werke (z.B. von J. S. Bach) erst gar nicht entstehen können. Wer sich gedanklich von dem Kampfbegriff des „geistigen Eigentums“ befreit, der wird andere Möglichkeiten finden, die Interessen der Kreativen an Entlohnung und Anerkennung einerseits und das Gemeinwohl andererseits in ein gutes Gleichgewicht zu bringen.

Es wurde auch folgende Variante eingebracht

Angenommen

Respekt für geistige Leistung und künstlerische Arbeit

Künstlerinnen und Urheberinnen können nur von ihrem Beruf leben, wenn sie dafür bezahlt werden. Firmen wie Google kämpfen dafür, das europäische Urheberrecht auszuhebeln. Das ist das Ende der "mittleren" und "kleinen" Künstler*innen. Übrig bleiben nur noch noch die großen US-amerikanischen Firmen. Die europäische Kultur wird ausgeblutet.

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PRO
Mir fehlt noch das besondere Augenmerk auf Parallelentwicklungen & Schöpfungshöhe.
Patentschutz für kleine Kreative & Erfinder oft unerschwinglich. Arbeitnehmererfindungen in Unternehmen meist zu gering vergütet.
Das berechtigte Anliegen von "kleineren" Künstlern und Autoren auf Entlohnung ihrer Arbeit berücksichtigen