Reform der Einkommensteuer inklusive Mindestsicherung

Es ist Zeit für ein neues Steuersystem. Dieses soll für mehr soziale Gerechtigkeit sowie eine radikal gesenkte Komplexität sorgen. Die Steuererklärung muss für jeden auch ohne spezielle Vorkenntnisse zu leisten sein.

Diese Initiative wurde angenommen.

Initiator*innen
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AnneK
Ho-Yeon Kim
Veröffentlicht am
3. Juli 2017
Bereich
Gerechtigkeit und Verantwortung füreinander
Einordnung
Einzelinitiative
Ebene
Bund
Ergebnis der Abstimmung

Diese Initiative wurde angenommen.

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104 Personen haben an dieser Abstimmung teilgenommen.

Das waren 26 Prozent aller 403 Abstimmungsberechtigten.

Unser Ziel ist ein einfaches, gerechtes und solidarisches Einkommensteuersystem. Alle Überschusseinkunftsarten (Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung sowie sonstige Einkünfte) werden zusammengefasst und unterliegen dem persönlichen Steuersatz.

Jeder Steuerpflichtige soll in der Lage sein, in kurzer Zeit und ohne Fachkenntnis seine Steuererklärung zu erstellen. Steuerschlupflöcher werden geschlossen.

Es ist Zeit für ein neues Steuersystem. Dieses soll für mehr soziale Gerechtigkeit sowie eine radikal gesenkte Komplexität sorgen. Die Steuererklärung muss für jeden auch ohne spezielle Vorkenntnisse zu leisten sein.

Wir arbeiten mit einem Modell der negativen Einkommensteuer, das jedem erwachsenen Steuerpflichtigen in Deutschland eine Mindestsicherung von 500 Euro garantiert. Je Kind soll die Mindestsicherung 400 Euro betragen. Diese nicht durch Sanktionen kürzbare Mindestsicherung soll das ALG II-System nach SGB II ablösen und jedem ein menschenwürdiges Leben ohne Sorgen und eine Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglichen. Sie schmilzt im ersten Schritt ab und geht in einen “Brutto = Netto”-Bereich über, womit sichergestellt wird, dass jeder dazu verdiente Euro ohne zusätzliche steuerliche Belastung auch bei den finanziell Schwächeren ankommt. Die Belastung wird bei ca.10.000 Euro Monatsbrutto etwa so hoch sein wie heute. Davor kommt es zu steuerlichen Entlastungen, darüber hinaus gehende Einkommen werden im Vergleich höher belastet als heute.

Im Gegenzug werden zur Finanzierung bis auf eine kleine Auswahl sämtliche Vergünstigungen gestrichen. Für mehr soziale Gerechtigkeit hat der Steuertarif stufenweise anzusteigen.

Problembeschreibung

Das derzeitige Steuersystem ist ein über Jahrzehnte gewachsenes Konstrukt, mit dem versucht wurde Politik in den unterschiedlichsten Bereichen zu betreiben. Hierzu gehört die Familien-, Finanz-, Sozial- und Rentenpolitik. Dies hat dazu geführt, dass das System mittlerweile einige Fehlallokationen aufweist und zunehmend verkompliziert wird. Um das Optimum aus seiner Steuererklärung zu erhalten muss Fachwissen vorhanden sein, wodurch in unseren Augen die Steuergerechtigkeit gefährdet ist (Definition: http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/lexikon-der-wirtschaft/20740/steuergerechtigkeit).

Auch der Wildwuchs an Sonderregelungen führt dazu, dass keine sinnvolle Politik mehr betrieben werden kann, da die Auswirkungen durch den steigenden Komplexitätsgrad fachlich nicht mehr durchdrungen werden können. So schafft es die Politik seit Jahren z.B. nicht, die kalte Progression zu beseitigen (http://www.bundesfinanzministerium.de/Web/DE/Themen/Steuern/Steuerarten/Einkommensteuer/Kalte_Progression/kalte-progression.html).

Andererseits sind Vergünstigungen ausschließlich für Vermögende vorhanden, wodurch der reale Steuersatz für diese Einkommensschichten deutlich niedriger liegt als der eigentlich vorgesehene. Wir formulieren hier einen Neustart.

Forderung

1. Wir fordern ein gerechteres und sozialeres Einkommensteuersystem inklusive einer Mindestsicherung in Form einer negativen Einkommensteuer..

2. Kern unserer Initiative ist die Reform der Einkommensteuer: Sämtliche Überschusseinkünfte sollen zusammengefasst werden und dem hier vorgestellten Steuersystem unterliegen: Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung sowie sonstige Einkünfte wie zum Beispiel Aufsichtsratsvergütungen. Auch Einkünfte von Beamten unterliegen dem je nach Einkommenshöhe in Frage kommenden Steuersatz.

3. Die bisherige geringfügige Beschäftigung, die zusätzlich zu einem regulären Arbeitsverhältnis steuerfrei möglich ist, entfällt in diesem System.

4. Mit einer Anhebung des Grundfreibetrages und einer Entzerrung durch Stufensteuersätze wollen wir kleine und mittlere Einkommen entlasten.

5. Der Spitzensteuersatz sowie der Reichensteuersatz werden im Gegenzug angehoben.

6. Ehegattensplitting, sonstige Freibeträge und Kindergeld entfallen.

7. Aufwendungen, die vom Einkommen zur Ermittlung des zu versteuernden Einkommen von der Steuer abgesetzt werden können, beschränken sich auf die folgenden: Werbungskosten: Kilometerpauschale bzw. ÖPNV-Kosten. Doppelte Haushaltsführung nur bei außergewöhnlicher Belastung. Der Katalog an absetzbaren Aufwendungen bei doppelter Haushaltsführung wird der aktuellen Entwicklungen angepasst. Sonderausgaben: Spenden für gemeinnützige Organisationen. Bereits laufende Verträge aus dem Bereich Altersvorsorge erhalten aus gesetzlichen Gründen Bestandsschutz. Außergewöhnliche Belastungen: Pflege und Heimkosten, Kosten für Kinderbetreuung, Unterhalt für bedürftige Personen, Pauschbeträge für Behinderte und Hinterbliebene, Krankheitskosten. Übungsleiterfreibetrag: Wird beschränkt auf den Bereich ehrenamtlicher Tätigkeit im gemeinnützigen Bereich. Eine Nachbesteuerung im Falle des Verlustes der Gemeinnützigkeit ist nicht zulässig.

8. Der Solidaritätszuschlag wird ersatzlos gestrichen.

9. Die Steuerstufen im Detail (auf Basis zu versteuernden durchschnittlicher Monatswerte): Die Mindestsicherung beträgt 500 Euro/Monat. Zusätzliches Einkommen wird wie folgt besteuert:

0 % bis 500 Euro/Monat (Es fällt keine Einkommensteuer an.)

10 % von 501 Euro/Monat bis 1.500 Euro/Monat

20 % von 1.501 Euro/Monat bis 2.000 Euro/Monat

30 % von 2.001 Euro/Monat bis 4.000 Euro/Monat

45 % von 4.001 Euro/Monat bis 7.000 Euro/Monat

50 % von 7.001 Euro/Monat bis 9.000 Euro/Monat

55 % von 9.001 Euro/Monat bis 20.000 Euro/Monat

60 % ab 20.001 Euro/Monat

Die Steuerstufen im Detail (auf Basis zu versteuernder Jahreseinkommen): Die Mindestsicherung beträgt 6.000 Euro/Jahr. Zusätzliches Einkommen wird wie folgt besteuert:

0 % bis 6.000 Euro/Jahr (Es fällt keine Einkommensteuer an.)

10 % von 6.001 Euro/Jahr bis 18.000 Euro/Jahr

20 % von 18.001 Euro/Jahr bis 24.000 Euro/Jahr

30 % von 24.001 Euro/Jahr bis 48.000 Euro/Jahr

45 % von 48.001 Euro/Jahr bis 84.000 Euro/Jahr

50 % von 84.001 Euro/Jahr bis 108.000 Euro/Jahr

55 % von 108.001 Euro/Jahr bis 240.000 Euro/Jahr

60 % ab 240.001 Euro/Jahr

Dem besteuerten Einkommen werden die monatlich 500 Euro Mindestsicherung steuerfrei und sozialversicherungsfrei hinzugefügt bzw. ausgezahlt.

10. Jeder in Deutschland Steuerpflichtige hat Anspruch auf die Mindestsicherung von 500 Euro/Monat, bzw. 400 Euro/Monat für Minderjährige. Die Auszahlung wird auf Antrag vorgenommen. Der Ausgleich über den Jahressteuerausgleich bzw. Kompensationen im Folgejahr bleibt bestehen. Für die Auszahlung der Mindestsicherung an Kinder werden die Regelungen aus den aktuellen Kindergeldbestimmungen übernommen.

11. Zugezogene Menschen egal welcher Herkunft sollen die Mindestsicherung ab einem Einkommen von 1450 Euro/Monat (Erklärung: entspricht Vollzeit bei Mindestlohn) sofort erhalten. Bei einem geringeren Einkommen gelten die bisherigen gesetzlichen Richtlinien zu Sozialleistungen für Zugezogene. Für den Anspruch zugezogener EU-Ausländer soll auf europäischer Ebene eine Lösung gefunden werden.

12. Asylsuchende und Geflüchtete erhalten die Mindestsicherung nach Anerkennung ihres Status und Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung. Für die Übergangszeit haben die bisherigen Regelungen Bestand. Da diese nicht Teil des Steuersystems sind, regen die Initiatoren zur Reform dieser Regelungen eine separate Initiative an .

13. Sanktionsmöglichkeiten, vergleichbar mit denen der ARGE, wodurch die Mindestsicherung gestrichen werden kann, entfallen. Es verbleiben einige wenige Ausnahmen vom Anspruch auf Mindestsicherung,, wie z.B. beim Verbüßen einer Haftstrafe und beim Missbrauch des Systems.

14. Für die Sozialhilfe- und Wohngeldberechtigten wird zudem das Wohngeld in angemessener Höhe übernommen. Sozialversicherungsbeiträge werden übernommen, bis eigene Beiträge aus dem Einkommen bezahlt werden können. Sämtliche übrigen finanziellen Leistungen des ALG II-Systems erübrigen sich durch das System der Mindestsicherung und werden gestrichen.

15. Die Sozialversicherung wird von dieser Initiative nicht behandelt und bleibt bis zu einer gesonderten Initiative im derzeitigen System bestehen. Die Initiatoren weisen allerdings darauf hin, dass eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze zu mehr sozialer Gerechtigkeit führen kann, weil dadurch der prozentuale Beitrag je Versicherten gesenkt werden kann und auch hohe Einkommen sich solidarisch daran beteiligen. Die Anpassung oder Streichung der Beitragsbemessungsgrenze soll in einer separaten Initiative eingebracht werden.

16. Die Mindestsicherung sowie die Grenzen der Steuerstufen werden jährlich auf der Basis der Inflationsrate des vorletzten Jahres angepasst. So werden beispielsweise die Anpassungen für das Jahr 2020 anhand der Inflationsrate des Jahres 2018 bestimmt.

17. Weitere Aspekte des individuellen Mehrbedarfs (wie z.B. Elterngeld) sollen in getrennten Initiativen behandelt werden.

Kosten

Es entstehen voraussichtlich keine zusätzlichen Kosten.

Finanzierungsvorschlag

Durch solidarische Umschichtung von Belastung auf höhere Einkommen sowie der Absenkung des Verwaltungsaufwandes werden die Kosten sukzessive deutlich gesenkt. Durch Umschichtung der freigewordenen Kapazitäten auf die Agenturen für Arbeit können diese zudem verstärkt Menschen in Arbeit vermitteln.

Darüber hinaus werden höhere Einkommen effektiver besteuert, durch den Wegfall von Vergünstigungen wird die Steuergerechtigkeit wiederhergestellt. Die Steuerbelastung für Einkommen oberhalb von 10.000 Euro im Jahr steigen an.

Als weiteren Effekt wird der Multiplikator-Akzelerator (https://de.wikipedia.org/wiki/Multiplikator-Akzelerator-Modell) angeführt, da bei einer höheren marginalen Konsumquote der finanzschwächeren Bevölkerung die Nachfrage angeregt wird. Hieraus resultieren höhere Einnahmen aus der Umsatzsteuer. Zwar hat auch dieser Effekt seine Grenzen, allerdings wird die Gesamtnachfrage angeregt, während besserverdienende Einkommensschichten durch eine höhere Steuer Geld in den Umlauf bringen.

In Abgrenzung zum Grundeinkommen wird die Mindestsicherung ab einem tragfähigen Einkommen abgeschmolzen bzw. gar nicht erst ausgezahlt.

Arbeitsweise

Die Steuerreform wurde gewissenhaft formuliert von Anne-Kathrin Baum (Chemikerin), Ho-Yeon Kim (Wirtschaftsjurist und Unternehmensberater) und Sara Redolfi (Auswärtiges Amt).

Die Initiative wurde auf dem Marktplatz der Ideen und in Videocalls unter Einbeziehung aller Interessierten entwickelt. Sie stand zur Diskussion allen interessierten Teilnehmern des Marktplatzes offen.

Die Steuerbeträge des derzeitigen Systems wurden vergleichend verwendet. Anregungen für andere Möglichkeiten der Besteuerung (Kirchhoff, Straubhaar, ...) haben wir diskutiert und in unsere Überlegungen einfließen lassen, immer unter dem Aspekt der Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen, Entlastung für Familien, der Vereinfachung der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens und der sanktionsfreien Mindestsicherung.

Argument der Initiator*innen

Durch die vorgelegte Initiative werden soziale Ungerechtigkeiten beseitigt und die Mindestsicherung führt zu einem menschenwürdigen Leben. Einkommen auf Mindestlohnniveau bleiben bei einer Vollzeitstelle weitestgehend steuerfrei. Die bisher erfolgte Umverteilung von unten nach oben wird gebremst und umgekehrt.

Mit der pauschalen Berechnung der Mindestsicherung wird der Verwaltungsaufwand radikal reduziert.

Der Anreiz zur Arbeit bleibt trotz der Mindestsicherung erhalten, da diese zum einen wirklich nur ein Mindestmaß abdeck und es zum anderen im Mindestlohnbereich kaum zu steuerlichen Abzügen kommt. Die Beiträge der Menschen, die wenig oder keine Steuerzahlungen leisten müssen, werden durch die stärkere und solidarische Einzahlung Anderer übernommen. Entlastungen kommen damit in den unteren Einkommensklassen an.

Durch das System wird der Konsum im ersten Schritt gesteigert. Hiermit werden Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt und eine galoppierende Inflation verhindert. Es kann nach Einführung des Systems beobachtet werden, ob die gewünschte Wirkung auch eintritt und gegebenenfalls das System im laufenden Betrieb nachjustiert werden. Dazu gehören sowohl nachträgliche Erhöhungen der Mindestsicherung, als auch Anpassungen der Stufengrenzen und Stufensteuersätze. Die Anpassung an die Inflation wurde bereits berücksichtigt. Sollte dieses System scheitern, fällt der Wechsel in ein anderes System deutlich einfacher, da etliche bisherige Sozial- und Rentensysteme erhalten bleiben.

Die Finanzierung wird durch höhere Steuereinnahmen gewährleistet. Hierbei bleibt das System offen für Änderungen im Sozialversicherungssystem und ist kompatibel mit den vorgelegten Initiativen in diesem Bereich.

Exemplarische Gegenüberstellung aktueller Steuertarif gegenüber neuem Steuertarif (inkl. Mindestsicherung): https://drive.google.com/file/d/0B6lHxz2qpflKS0d3bjY0QjU5X0U/view

Diese Debatte enthält keine Argumente.
Es wurden keine Vorschläge eingebracht.